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Leerstand trifft Lebensgefühl: In der Goebenstraße prallen Baustopp und Milieuschutz auf kulinarischen Kult und eine rosafarbene Shisha-Bar nur für Frauen. Ein Kiez zwischen Verfall, Vision und Vielfalt.
Die Goebenstraße in Berlin-Schöneberg ist nur rund 300 Meter lang – aber sie erzählt auf engstem Raum von den Spannungen, Chancen und Geschichten eines sich wandelnden Kiezes. Direkt an der Ecke zur Potsdamer Straße steht seit Jahren ein großes Gebäude leer, daneben ein vermüllter Hof. Eigentlich soll hier längst gebaut werden: Wohnungen, Büros, ein Supermarkt, ein weiteres Wohnhaus. Doch der Start stockt – verzögert durch Bebauungspläne, Milieuschutz und typische Berliner Verwaltungsrealität.
Doch wer sich über den ersten Eindruck der Verwahrlosung hinwegsetzt, entdeckt auf den zweiten Blick eine Straße voller Leben, Kreativität und kultureller Tiefe.
3 Dinge über...
Nummer 1
Sie ist voller bunter Bilder – Street Art, Graffiti und auch einfach so mal Rumsprühen verleihen Fassaden und Kaugummiautomaten ein verwegenes Aussehen.
Nummer 2
Benannt nach einem preußischen General sollte die Goebenstraße 1945 in der Pallasstraße aufgehen – das verweigerte der damalige Berliner Magistrat.
Nummer 3
Sie endet Höhe Bülowstraße an einem kleinen hübschen Platz, der keinen Namen trägt - dafür aber eine öffentliche Toilette hat.
Die Hausnummer 10: Im Souterrain leuchtet es rosa. „The Vibe by Huda“ ist eine Shisha-Bar ausschließlich für Frauen – ein Raum, der als geschützter Ort zum Tanzen, Reden und Entspannen dient. Die 24-jährige Betreiberin Houda Abdul Razzak verbindet als Unternehmerin, Influencerin und Studentin der Wirtschaftswissenschaften Social Media mit Gastronomie. Ihre Idee entstand aus einem Fastenbrechen während des Ramadan 2022, bei dem sich 600 Frauen aus ihrer Community versammelten. Heute ist ihre Bar ein Safe Space, der weit über Berlin hinaus Aufmerksamkeit findet.
Nur wenige Schritte weiter hat sich ein anderes Lokal Kultstatus erarbeitet: Ein chinesisches Restaurant, das seit 2012 authentische Gerichte aus Nordostchina serviert – zwischen Retro-Einrichtung und multikulturellem Alltag. Die Familie Wu führt das Lokal mit viel Herz, auch wenn sie selbst nur gebrochen Deutsch sprechen – ihre Kinder dagegen gebrochen Chinesisch. Es ist ein Ort, der regelmäßig in Romanen auftaucht und von Berlinale-Gästen genauso besucht wird wie von Berliner Hipstern.
So erzählt die Goebenstraße von einem Berlin, das zwischen Baustellen und Baulücken lebt, sich selbst neu erfindet und dabei gleichzeitig den Charme des Unperfekten bewahrt.